Seien Sie ehrlich: Wenn Sie versuchen, sich idyllische "Wildnis", "Dickicht" und "Undurchdringlichkeit der Natur" vorzustellen, dann denken auch Sie in der Oberpfalz an dichte Hecken voller Dornen, die ein Fortkommen für Mensch und größere Tiere unmöglich machen. Dabei sind Hecken alles andere als menschenferne Wildnis. Das machen die beiden Förster Andreas Arnold und Wolfgang Winter auf der Exkursion der LBV-Naturschutzgruppe Weiden-Neustadt u.U. mehr als deutlich. Hecken existieren nur so lange, wie sich Menschen um sie kümmern, sie "hegen", pflegen und in Stand halten. Sprachlich stammt der Ausdruck "Hecke" von althochdeutsch "hegga" und meint "beschützen, behüten, umzäunen".
Denn die "Hecke" soll vor allen Dingen "schützen" ... den Acker vor Wind, die gesäten Pflanzen vor Tierverbiss, die Grundstücksgrenzen vor Nachbarschaftsstreitigkeiten und den heiligen Hain vor jedwedem Unbill, erklärt Andreas Arnold kulturgeschichtlich. Aber die Hecke selbst muss eben auch gehegt und gepflegt werden, sonst verschwindet sie schnell. Und diese Pflege ist harte Arbeit, denn Böden, die sich für Heckenpflanzen wie Schneeball, Pfaffenhütchen oder Hundsrose eignen, sind auch für mächtige Konkurrenten attraktiv und so schieben sich zwischen dem buschigen Grün der Hecke schnell Ahorn, Linde, Kirsche oder Eiche nach oben. Ihr Blattgrün nimmt der Hecke dann das Licht zum Überleben und aus einer Hecke wird ein Waldrand, der erst an der Mähgrenze endet. Um das zu verhindert, muss der Mensch nicht nur einmal ein paar Pflanzen in den Boden setzen, sondern sich emsig und ausdauernd über Jahre und Jahrzehnte hinweg bemühen, die Hecke zurückschneiden, z.T. auch kleinere Bereiche auf den Stock setzen, durch dorniges Gebüsch krabbeln, um die Bäume aus dem Heckenbereich zu entnehmen.
Harte Arbeit, das macht Förster Wolfgang Winter deutlich! Aber lohnt sich das? Sollte man der Natur nicht freien Lauf lassen?
Es wäre schade, wenn man es täte. Denn die Pflanzen- und Tiervielfalt in der Oberpfalz ist im Kontext unserer Kulturlandschaft entstanden und kann sich auch nur in dieser halten und für tausende von Arten sind Hecken dabei zentral:
Sie dienen als Schutz vor Fressfeinden für Hasen, Rebhühner, Ringelnattern, Igel, brütende Vögel und mehr. Sie bieten mit den Früchten von Vogelbeerbaum, Haselnuss, Schlehe, Weißdorn und anderen Nahrung, die auch in der kalten Jahreszeit noch zur Verfügung steht und so über den Winter hilft. Auf den Quadratmetern der Hecke wirtschaftet der Mensch nicht intensiv, sprüht kein Pestizide, Fungizide oder Herbizide und lässt auch Artenvielfalt in der Flora zu. Die Blüten der Heckenpflanzen vom Schneeball über die Brombeere und den Holunder bieten Lebensraum für Insekten und sorgen mit damit auch für einen Grundstock der Nahrungskette, von dem auch Säuger profitieren. Und wie schön diese Vielfalt auch für uns Menschen ist, zeigen die beiden Förstern, indem Sie die Naturfreunde auf Details der Pflanzen hinweisen, auf silbrig-graue Äste, spannende gefiederte Blattstrukturen, "orange Pfaffenköpfe" und die Verwendung von Weißdorn und anderen zur Stärkung der eigenen Gesundheit.
Dabei reicht eine Hecke ab und an nicht aus, um die Biodiversität zu erhalten, betont Andreas Arnold.
Rebhühner, Niederwild und Reptilien, Amphibien, Vögel und viele andere brauchen eine Landschaft, die von Heckenstrukturen oder gestuften Waldrändern durchzogen sind, um überleben zu können. Und so hat die Oberpfalz auch jahrhundertelang ausgesehen. Das wiederzubeleben und Ackerflächen wieder vermehrt mit Hecken einzuhegen würde sich auch heute lohnen.Nicht nur für die Tier- und Pflanzenwelt und damit indirekt für uns alle, sondern auch für die Landwirtschaft, denn Hecken erhöhen insgesamt die Produktivität der Fläche, indem sie besonders in Zeiten von Extremwetterlagen der Erosion durch Wind und Wassermengen entgegenwirken und in der Hitze Schatten bieten.
Politische Rahmenbedingungen in der Agrarpolitik, die so beschaffen sind, dass sich das z.T. auch anstrengende Engagement für die Hecke als Lebensraum wieder lohnt, das würden sich die Teilnehmer*innen der Exkursion wirklich wünschen.
Text: V. Bauer. Fotos: Nicole Merbald und V. Bauer