Anwälte der Natur

Manchmal reicht es nicht, sich nur im Positiven für mehr Naturschutz zu engagieren. Manchmal ist es genauso wichtig, Fehlentwicklungen und schädliche Eingriffe aufzudecken, zu benennen und auf Besserung hinzuwirken. 

Auch das ist Aufgabe der LBV-Kreisgruppe. Wir halten die Augen offen und versuchen als Anwälte für die Natur zu sprechen, die sonst keine Stimme hat. 

Leserbrief zum Artikel „Weidens alten Festplatz in neuen Händen“; Neuer Tag, 24. August 2021

Anne Wellsteins Beweisfoto: Blauflügelige Ödlandschrecke auf Volksfesplatz
Anne Wellsteins Beweisfoto: Blauflügelige Ödlandschrecke auf Volksfesplatz

Im „Weidener“ Teil Ihrer Zeitung war letzten Dienstag zu lesen, dass der ehemalige Festplatz in Weiden Ost von der Familie Hauck (Bürgerbräu) an einen neuen Besitzer, der in der Region schon durch mehrere Bauprojekte bekannt wurde, verkauft wurde, - was der Stadt Weiden nicht gelungen ist. Als Folge davon musste ein neuer Festplatz in der Nähe zur Neustädter Straße gebaut werden - Flächen, die jetzt für Gewerbeansiedlungen nicht mehr zur Verfügung stehen.

Der alte Festplatz am Hetzenrichter Weg lag nun ca. 10 Jahre brach, was nicht allen Bürgern gefiel. Tatsächlich hat sich aber in den letzten Jahren eine blütenreiche Flora (einjahriger Feinstrahl, verschiedene Mauerpfeffer- und Magergrasarten etc.) eingestellt.

Vielleicht interessanter, und auf den ersten Blick und für den Laien nicht erkennbar, ist die Fauna, die sich parallel dazu eingestellt hat: eine unglaubliche Insektenvielfalt!

Wir finden nicht nur allerlei „Allerweltsarten“, sondern echte Raritäten: mehrere Bläulingsarten (Schmetterlinge),einige Hummelarten, verschiedene Schwebfliegen und Raubfliegen. 


Dunkelblauer Bläuling: Winfried Schaller
Dunkelblauer Bläuling: Winfried Schaller

Das Interessanteste für mich sind jedoch diverse Heuschreckenarten, wie z. B. die beiden auf der „Roten Liste Bayern“ (2016) stehenden und damit besonders geschützten Kurzfühlerschrecken, die „Blauflügelige Ödlandschrecke“ (Schutzstatus 2 „gefährdet“) und die „Rotflügelige Ödlandschrecke“ (Schutzstatus 3 „stark gefährdet“). Auch nach dem Bundesnaturschutzgesetz § 44 gelten diese als „besonders geschützte Arten“. Beide Heuschreckenarten benötigen einen Lebensraum, der nur schwach bewachsen, steinig und trocken ist. Diese Bedingungen finden sie wohl auf der aufgeschotterten ehemaligen Festplatzfläche. Es kann gut sein, dass dort auch noch andere geschützte Arten zu finden sind. Und wo das Insektenangebot stimmt, kommen natürlich auch bald die entsprechenden Vögel…

Nun sehe auch ich die Notwendigkeit, dass innerörtliche Flächen eher überbaut werden sollten als neue Baulandflächen an den Ortsrändern auszuweisen und damit den weiteren Flächenverbrauch und neue Flächenversiegelung zu befördern.

Blauflüglige Ödlandschrecke: Winfried Schaller
Blauflüglige Ödlandschrecke: Winfried Schaller
Blauflüglige Ödlandschrecke: Winfried Schaller
Blauflüglige Ödlandschrecke: Winfried Schaller

Da entgegen der landläufigen Meinung die beiden Heuschreckenarten nicht sehr mobil sind, sollten deshalb schnellstmöglich, also auch vor einer „vorübergehenden“ Nutzung als „Eventflächen“, faunistische Erhebungen durchgeführt und ein passendes Ausgleichkonzept erarbeitet und umgesetzt werden. Man könnte zum Beispiel Flächen im nahen Umfeld erwerben (die „Rotflügelige Ödlandschrecke“ bewegt sich nur in einem Radius von ca. 50m) und aufschottern. 

Anne Wellsteins Beweisfoto: Blauflügelige Ödlandschrecke auf Volksfesplatz
Anne Wellsteins Beweisfoto: Blauflügelige Ödlandschrecke auf Volksfesplatz

Auch wäre es gut, einige Randbereiche des Festplatzes nicht anzutasten bis nachgewiesen ist, dass sich der Bestand auf den neuen Flächen etabliert hat (Überprüfung durch Fachleute/ Monitoring).

Man kann natürlich sagen, soviel Aufwand für die paar Insekten: aber leider ist es ja spätestens seit dem Volksbegehren Bienen-/ Insektensterben allgemein bekannt, dass unser Insektenbestand bis zu 80% geschrumpft ist.

Deshalb sollte es nicht unzumutbar sein, bei Bauplanungen einen erhöhten Aufwand für den Artenschutz zu betreiben.


Große Sumpfschwebfliege: Winfried Schaller
Große Sumpfschwebfliege: Winfried Schaller

Das Problem, das leider viele Menschen noch nicht erkannt haben, liegt darin, dass wir den Tierarten keinerlei Kontinuität bei der Erhaltung ihrer Lebensräume mehr zugestehen. Es hilft eben nicht, schnell mal einen Blühstreifen anzulegen, der dann im darauffolgenden Jahr wieder untergepflügt wird. 

Der Lebenszyklus der meisten Insekten-, Käfer- oder Libellenarten ist immer mehrjährig (2-5 Jahre). Wenn also umgeackert wird, werden die Larvenstadien der Arten vernichtet, das heißt, z. B. die Insekten sind zwar durch das Blütenangebot im ersten Jahr satt geworden, ihre Fortpflanzung danach aber funktioniert nicht mehr. Auf diese Eigenarten unserer heimischen Tierarten muss viel mehr Rücksicht genommen werden.

Ein zweiter Punkt soll hier noch kurz angesprochen werden: die alte Festplatzfläche ist wichtiger Bestandteil der Frischluftschneise aus dem Osten in und für die Innenstadt. In Zeiten von Klimawandel und immer heißeren Sommern ist das aus meiner Sicht ein nicht zu vernachlässigender Aspekt, der bei der Beplanung des Grundstücks seinen Niederschlag finden muss. Ein durchgehender Grünzug könnte hier ein Lösungsansatz sein.

Ich bin also nicht gegen eine Bebauung des Areals, auch ich finde die Idee, Erweiterungsflächen z. B. für ein Bildungscampus zur Verfügung zu stellen, gut. Aber bitte mit der erforderlichen Voraus- und Rücksicht für unsere arg gefährdete Tierwelt.

 

Simone Schaller (Landschaftsarchitektin)

Sprecherin Agenda 21 und Naturschutzbeirat Weiden

Mitglied in der Ortsgruppe des LBV NEW-WEN und Umgebung


Lebensraum des Wiesenknopf-Ameisenbläulings einfach planiert

Mantel: Wiese mit wertvollen Pflanzen und Ameisen mit großem Gerät abschoben

Bild: LBV Naturschutzgruppe Weiherhammer u.Umg.
Bild: LBV Naturschutzgruppe Weiherhammer u.Umg.
Bild: LBV Naturschutzgruppe Weiherhammer u.Umg.
Bild: LBV Naturschutzgruppe Weiherhammer u.Umg.

Wer diese Stelle in der Nähe von Mantel im letzten Frühjahr gesehen hat, wird jetzt eine Gänsehaut bekommen: denn hier war eine Wiese, auf der verschiedenste Wildkräuter wuchsen und sich mehrere Ameisenvölker tummelten. Also so, dass dieses Gebiet für einen Schmetterling geeignet war, der mittlerweile kaum mehr Lebensräume zur Verfügung hat: Der sehr seltene Wiesenknopf-Ameisenbläuling. 

Foto: Flickr LBV-Bayern Barbara Sabine Kellermann
Foto: Flickr LBV-Bayern Barbara Sabine Kellermann

Wie sein Name schon sagt, braucht dieser Rote-Liste-Falter nämlich beides: Ameisen und eine naturnahe Wiese, in der genau eine wichtige Pflanze vorkommen muss: Der Wiesenknopf. Denn auf diesem verbringt der erwachsene Falter fast sein ganzes leben.

Als Larve dagegen braucht er eine ganz bestimmte Tierart. Er lullt Ameisen mit seinen süß riechenden Honigdrüsen ein und lässt sich - als Beute unerkannt - in ihre Nester tragen. Wenn die Larve heranwächst, macht sie die eigentlichen Feinde zu Nahrung und frisst sich an  Ameisenlarven satt. Gefährlich ist das alle mal, denn wenn der Wiesenknopf-Ameisenbläuling sich zum Schmetterling entpuppt, muss er seinem bisherigen Zuhause, dem Ameisenhügel, sehr schnell entfliehen, sonst wird er selbst zu Futter für die Ameisen. 

Weil es nur noch wenige Wiesen gibt, die diesem Spezialisten seine auserwählten pflanzlichen Wirte und tierischen Helfer bieten, ist es strengstens geschützt. So sehr ... dass der Bau der Umgehungsstraße Mantel nicht ohne Rücksicht auf ihn voranschreiten durfte. 

Dass nun ein Stück der Heimat des Ameisenwiesenbläulings zerstört wurde, bevor die Kartierung stattfand, entsetzt lokale Umweltschützer. 


Der LBV hat sich mit der Unteren Naturschutzbehörde in Verbindung gesetzt. Mehr als eine Mahd war eigentlich nicht genehmigt!

Quellen: https://baden-wuerttemberg.nabu.de/tiere-und-pflanzen/insekten-und-spinnen/schmetterlinge/artenportraits/03721.html und https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/insekten-und-spinnen/schmetterlinge/tagfalter/14046.html 

Gemeinsame Pressemitteilung

Für Walderhalt in Weiden-West abstimmen

BUND Naturschutz und LBV rufen die Bürgerinnen und Bürger Weidens dazu auf, sich für den Schutz von Erholungswald und Natur und damit für eine zukunftsfähige Stadtplanung zu entscheiden

Foto: Stalinski
Foto: Stalinski

Weiden, 01.02.2021 – Das geplante Gewerbegebiet West IV in Weiden i.d. Oberpfalz wäre ein drastisches Beispiel für ungebremsten Flächenverbrauch und ein bayernweites Negativbeispiel für fortschreitende Naturzerstörung. Zum aktuellen Bürgerentscheid, der bis zum 14. Februar als Briefwahl läuft, appellieren die Landesvorsitzenden von BUND Naturschutz (BN) und LBV (Landesbund für Vogelschutz), Richard Mergner und Dr. Norbert Schäffer, an die Stimmberechtigten in Weiden, mit ihrem Votum für den Erhalt des Waldes zu stimmen und so den Weg für eine nachhaltige und naturschonende Stadtentwicklung in Weiden zu öffnen.

 

Nach den bisher noch ungenehmigten Plänen der Stadt Weiden sollen über 65 Hektar Wald im Besitz des Freistaats Bayern, vergleichbar mit über 90 Fußballfeldern, einem neuen Gewerbegebiet weichen. 

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