Unser Wald im Klimawandel: Natur Natur sein lassen?

(Christian Stierstorfer)

20.02.2020) Auch der Experte für Naturschutz im Wald beim Landesbund für Vogelschutz (LBV) hat leider keine Glaskugel. Wie genau sich die klimatischen Bedingungen verändern werden, ist heute selbst für Klimaexperten nicht abschätzbar. Ob wir es hier in der Oberpfalz mit einem deutlichen Temperaturanstieg zu tun haben werden oder es evtl. nach Abreißen des Golfstroms sogar kälter wird, kann niemand seriös voraussagen. Sicher scheint aber zu sein, dass die Gefahr von Wetterextremen größer wird, die in Form von Trockenheit, Stürmen und Überschwemmungen unsere Wälder in ihrer Substanz bedrohen.

Was gilt es also zu tun?

Man muss sich erst einmal ehrlich eingestehen, dass man zu wenig weiß, fordert Dr. Christian Stierstorfer, LBV-Waldreferent und Dipl.-Biologe von der Bezirksgeschäftsstelle Niederbayern. Dann muss man die Risiken seriös abschätzen und minimieren.


Douglasien als Ausweg?

Die Hoffnungen der Forstwirtschaft, die im Import fremder Arten einen Ausweg der Krise des Waldes sehen, kann Christian Stierstorfer nicht teilen.

 

Er warnt vor dem großflächigen Anbau von Douglasien oder anderen nicht-heimischen Arten. Damit könne man den Wald, den wir alle als Regenerationsort für den Menschen und Lebensraum für Tiere und Pflanzen lieben, nicht retten. Vielmehr würde man den uns bekannten Wald durch eine völlig anders geartete Vegetation ersetzen. Diese würde aber vielen lieb gewonnen Pflanzen und Tieren keinen Lebensraum mehr bieten und eher einer Holzplantage gleichen.

 

Dem heftigen Widerspruch von Seiten einiger Förster im Publikum begegnet der LBV-Referent mit einem wohl abgewogenen Vorschlag: Die möglicherweise zukunftsweisender Erprobung neuer klimaresistenter Baumarten solle außerhalb von Naturschutzgebieten zunächst in einem begrenzten Umfang erfolgen, nicht mehr als 10 % der Bäume umfassen und einem genauen Monitoring unterzogen werden. Eine unkontrollierte Ausbreitung durch Aussamung sollte zunächst verhindert werden, um die Risiken – wie die Ausbreitung neuer Krankheiten, Schädlinge oder die Verdrängung einheimischer Arten – zu minimieren.

Naturbelassene Waldgebiete als Lehrer des Klimawandels

Stattdessen macht der LBV-Referent Mut, den einheimischen Arten und Ökosystemen mehr zuzutrauen. Denn auch Baumarten wie die Buche, die Eiche, die Elsbeere oder die Kiefer sind in der Lage mit Klimaveränderungen klar zu kommen und haben diese Fähigkeit in den letzten Jahrhunderten und Jahrtausenden auch schon bewiesen. Beobachten und erforschen kann man die Kraft der Natur am besten in großflächigen Naturschutzarealen, in denen der Wald sich selbst überlassen bleibt, wie derzeit schon im Bayerischen Wald. Hier zeigen sich die erstaunlichen Anpassungsfähigkeiten bewährter Ökosysteme, von denen wir Menschen bei unserem Versuchen, unseren Wald zu erhalten, wirklich viel lernen können.


Schulterschluss mit der Forstwirtschaft

Die Berechtigung und Notwendigkeit einer Bewirtschaftung der Mehrheit der bayerischen Waldflächen stellt der Naturschützer dabei nie in Frage. Die Forstwirtschaft leistet dadurch einen wichtigen Beitrag zum Schutz des Klimas und zum zukunftsfähigen Umbau des Waldes. Die an vielen Orten noch dominanten Fichtenmonokulturen bedürfen ohne Frage eines klugen planerischen Eingriffs, um angesichts der dramatischen Klimaveränderungen eine Zukunft des Waldes zu ermöglichen.

Natur muss auch Natur sein dürfen

Für das Überleben der Artenvielfalt in Bayern und des Waldes, wie wir ihn kennen, ist es aber genauso wichtig, auf Teilen der Fläche (ca. 10%) auf eine wirtschaftliche Nutzung zu verzichten und die Natur auch einmal Natur sein zu lassen, meint der von Nicole Merbald ins Weidener Schützenheim eingeladene LBV-Referent. Auch ein natürlich wachsender Wald bindet klimaschädliches CO2.

An zahlreichen Beispielen macht Christian Stierstorfer deutlich, dass es hier noch viel zu tun gibt. In Naturschutzgebieten sollten Laubbäume nicht mehr ökonomischen Interessen zum Opfer fallen und müssen Biotopstämme effektiv geschützt werden, auch wenn dann weniger Gewinn erzielt werden kann. Der Flächenverbrauch durch die Planungen neuer Gewerbegebiete darf die wenigen Flächen, auf denen bereits ein funktionierendes Waldökosystem entstanden ist, nicht dahinraffen. 

Jetzt konsequent im Kleinen handeln und groß denken

Es ist eben nicht mehr fünf nach zwölf, sondern schon halb eins, wenn es darum geht, uns die Option zu bewahren, den Wald überhaupt noch zu retten. Dafür müssen wir im Kleinen die Biotope schützen. Wir müssen aber auch groß denken und den Wald auf großflächige Gebieten sich selbst überlassen, um seine Dynamik und Regenerationskraft für zukünftige Generationen nutzen zu können.  

Text und Bilder: Verena Bauer