Rund um den Mühlberg: Die Apotheke am Wegesrand

Susy Krapf führte rund 30 Teilnehmer zwei Stunden lang am Neustädter Mühlberg durch die "natürliche Apotheke" der Wildkräuter. Bilder: Weiß 
Susy Krapf führte rund 30 Teilnehmer zwei Stunden lang am Neustädter Mühlberg durch die "natürliche Apotheke" der Wildkräuter. Bilder: Weiß 

“Ich gebe mein Bestes”, versprach Susy Krapf den rund 30 Interessenten, die sich am 2. Juni zur “Kräuterwanderung” der LBV-Ortsgruppe Neustadt-Weiden eingefunden hatten. Von der St.-Anna-Kirche aus erkundete die Gruppe über zwei Stunden die Vegetation rund um den Neustädter Mühlberg. Und am Ende hatte die “Expeditionsleiterin” ihr Versprechen mehr als eingelöst, wie der Applaus und zahlreiche Spenden für die Vereinskasse bewiesen. 

 

Von jeher waren es vor allem Frauen, die um die Wirkkraft der Wildkräuter wussten, sie sammelten, aufbereiteten und verabreichten. Daran scheint sich auch im 21. Jahrhundert nichts geändert zu haben, wie der hohe Frauenanteil an der Exkursion zeigte. Immer wieder fragten die Teilnehmerinnen nach, viele machten sich Notizen und fotografierten die Pflanzen, die Susy Krapf vorstellte. Die ersten Exemplare fanden sich gleich auf der Wiese vor dem Kirchlein der Heiligen Anna, gewissermaßen unter den Füßen der Gruppe: Gänseblümchen, Spitz- und Breitwegerich sowie Löwenzahn gedeihen fast überall.

 

Das heißt aber keineswegs, dass sie keinen heilkundlichen Nutzen hätten. Wie Krapf erklärte, könnten Gänseblümchen das Immunsystem stärken, Löwenzahn helfe bei Verdauungsbeschwerden und wirke harntreibend, Wegerich verschaffe sowohl bei Insektenstichen und Verbrennungen als auch bei Atemwegserkrankungen Linderung. 

Kaum 20 Meter weiter legte der Trupp schon den ersten Stopp ein. Fast verblüht war der Weißdorn, auf den die Kräuterführerin die Aufmerksamkeit lenkte. Dieser häufige Strauch gehört zu den Rosengewächsen und ist für seine herzstärkende Wirkung bekannt. “Alle oberirdisch wachsenden Teile lassen sich verwenden”, erklärte Krapf. 


Man könne einen Tee zubereiten oder auch mit Alkohol eine Tinktur ansetzen. Gleich neben dem Weißdorn gedieh Knoblauchsrauke. “Ich nenne sie gerne den Oberpfälzer Bärlauch”, erzählte Krapf, “denn der Bärlauch ist bei uns gar nicht so stark verbreitet.” Beim Zerreiben der Blätter riechen diese knoblauchartig, weshalb die Rauke früher als Gewürzpflanze verwendet wurde. Ähnlich verhielt es sich mit der Nelkenwurz. “Als Gewürze noch sehr teuer waren und mit dem Schiff aus fernen Ländern zu uns gebracht wurden, hat man die Wurzeln gerieben und als Nelkenersatz verwendet.” Susy Krapf ließ ein kleines Schraubglas mit zerriebener Nelkenwurz herumgehen, und tatsächlich:

Es duftete intensiv nach Nelke. Genau wie das Original lindert auch die heimische Alternative Entzündungen im Mundraum. Darüber hinaus hilft Nelkenwurz bei Durchfall, wirkt entwässernd und zusammenziehend. 


Groß in den Mittelpunkt rückte der Holunder, der gerade zu blühen beginnt und damit den Sommer einleitet. “Früher war an jedem Bauernhof ein Hollerbusch gepflanzt”, erzählte Susy Krapf, “denn der war quasi eine Apotheke für das ganze Jahr”. Unsere Vorfahren verwendeten von der Blüte über die Beeren bis zur Rinde fast die gesamte Pflanze. “Der Holunder hat einfach so viele Heilwirkungen”, betonte Krapf, er wirkt gegen Viren, immunstärkend und entzündungshemmend, die reifen Beeren enthalten viel Vitamin C. Kein Wunder, dass sich zahlreiche Geschichten und Mythen um den Wunderstrauch ranken. “So soll auch die Frau Holle in einem Holunderbusch wohnen.”  

Oft unterschätzt: Das Gänseblümchen, Foto: V. Bauer
Oft unterschätzt: Das Gänseblümchen, Foto: V. Bauer

Während zumindest Hollerköjchln und Holunderlikör noch heute allgemein geschätzt sind, ist die Brennnessel fast nur noch als lästiges Unkraut verkannt. Damit tut man der Pflanze großes Unrecht, wie auf der Kräuterwanderung klar wurde. Die Blätter lassen sich zu vitaminreichem “Spinat” verarbeiten, als Tee genossen wirken sie stärkend und heilsam auf Nieren, Blase, Harnwege und Prostata. Die Brennnessel könne man ohne Übertreibung als “heimisches Superfood” bezeichnen, erklärte Krapf, alle Pflanzenteile seien verwendbar, und aus den Fasern lässt sich sogar feiner Stoff weben.  Brennnesseln enthalten mehr Eisen als die gleiche Menge Rindfleisch, sie punkten mit zahlreichen Vitalstoffen und dem “Schönheitsmittel” Kieselsäure.

Teufelskralle - hübsch, aber nicht direkt verwendbar, V. Bauer
Teufelskralle - hübsch, aber nicht direkt verwendbar, V. Bauer

Blutwurz, Foto: V. Bauer
Blutwurz, Foto: V. Bauer

Schnell hatte sich gezeigt, dass man keineswegs lange oder an verborgenen Plätzen suchen muss, um sich an der Apotheke der Natur zu bedienen – alle auf der Käuterwanderung vorgestellten Pflanzen wuchsen direkt am Wegesrand, am Saum von Wiesen und Äckern. Dennoch ermahnte Susy Krapf zum achtsamen Umgang mit der Vegetation. “Man muss Rücksicht nehmen auf die Natur, also zum Beispiel vorsichtig in eine Wiese hineingehen. Niemals alles an einer Stelle abpflücken, sondern immer mehr als zwei Drittel der Pflanzen stehen lassen. Kein Loch in den Bestand pflücken! Und bitte nicht die größten und kräftigsten Pflanzen ernten, die sollen stehen bleiben, damit sie sich vermehren können.” Krapf appellierte an die Exkursionsteilnehmer, Dankbarkeit zu zeigen für die Gaben der Natur, und das auch durch ein kleines “Opfer” zu zeigen. “Man kann zum Beispiel Müll mitnehmen, den Andere zurückgelassen haben.” 

Schön, aber nicht essbar: Zypressenwolfsmilch
Schön, aber nicht essbar: Zypressenwolfsmilch

Rezept von Susy: Tipps: Honig statt Zucker, Alsana statt Butter und Galgant muss nicht sein.
Rezept von Susy: Tipps: Honig statt Zucker, Alsana statt Butter und Galgant muss nicht sein.

Doch auch der ökologische Wert der verkannten Pflanze ist gewaltig: “Die Brennnessel ist das wichtigste Schmetterlingsfutter.” Jeder Gartenbesitzer, meinte Krapf, sollte eine “Brennnesselhecke” pflegen, um auch Vögeln und Insekten etwas Gutes zu tun. 

 

Labkraut, Hundsrose, Johanniskraut, Beifuß, Hirtentäschel, Frauenmantel, Blutwurz, Kamille und Rotklee, es warteten noch viele Pflanzen am Rand von Wiesen und grün-wogenden Getreidefeldern darauf, entdeckt zu werden. Aber Krapf mahnte auch zur Vorsicht: Doldengewächse sähen sich oft sehr ähnlich und die Gefahr von Verwechslungen mit giftigen Gattungsvertretern wie dem tödlichen gefleckten Schierling sei groß.

 

Als alle Wanderer wieder am Ausgangspunkt angekommen waren, wartete Susy Krapf noch mit einer kleinen Delikatesse auf: Eine Schale mit selbst gebackenen “Brennnesselkeksen” machte die Runde und fand großen Zuspruch. Auch am Backofen hatte die Kräuterführerin ihr Bestes gegeben.

Gabriele Weiß 


Sammeln, zerkleinern, trocknen und im Schraubglas aufbewahren, so kann jeder sich seine eigene "Kräuterapotheke" anlegen. Bild: Weiß

Brennnesseln gedeihen fast weltweit, sind aber nicht sonderlich beliebt. Damit tut man der vielseitigen Pflanze und ihren zahlreichen wertvollen Inhaltsstoffen großes Unrecht, wie auf der Kräuterwanderung deutlich wurde. Bild: Weiß

Diese Weißdornblüten sind in Alkohol eingelegt und sollen eine heilsame Tintur ergeben. Bild: Weiß

Auch einen Buchtipp hatte Susy Krapf für die Teilnehmer parat: Wer mehr über die Wildkräuter wissen möchte, dem empfiehlt sie aus dem AT-Verlag "Essbare Wildpflanzen - 200 Arten bestimmen und verwenden". Bild: Weiß